Das Preußen-Ja
Zum Thema: Soll ein gemeinsames Bundesland den Namen Preußen erhalten?
Das Preußen-Ja
Was der Berliner Schriftsteller F.C. Delius als Experte von der jüngsten Geschichts-Debatte hält
Potsdams Sozialminister Alwin Ziel hat vorgeschlagen, Berlin-Brandenburg nach der Fusion in Preußen umzutaufen. Allein das Wort, das erst nach dem Ende des Preußenjahrs seitenweise durch Blätter wie die FAZ geistert, bringt viele zum Gähnen. Wie geht es Ihnen?
Als Aschermittwochsscherz finde ich das sehr gelungen.
Falls wir den Namen bekommen, kriegen wir dann auch das Berliner Schloss?
Das Schloss – oder sagen wir: die Bebauung der provozierenden Leere in der Mitte der Stadt – ist eine Notwendigkeit. Und Karl Schlögels Vorschlag, in diesen noch zu errichtenden Räumlichkeiten die nötigen Nachhilfestunden in preußischer Geschichte museal und kritisch anzubieten, scheint mir vernünftig. Der Name für ein deutsches Bundesland des 21. Jahrhunderts wäre nur ein Schwindel.
Warum?
Abgesehen von den hundert richtigen historischen und politischen Bedenken gegen ein Land Preußen: Unsere Gesellschaft hat absolut nichts Preußisches mehr, teils aus guten, teils aus schlechten Gründen. Die Brandenburger und Berliner müssten sich den Titel preußisch erst verdienen: durch Sparsamkeit, Gemeinsinn, Bescheidensinn, Toleranz gegenüber Fremden, Gefängnisstrafen für Landowsky und Partner. Alles preußische Utopien. Mein Vorschlag wäre: Versuchen wir mal, zehn Jahre lang im besten Sinne preußisch zu handeln, dann müssten wir unter anderem mindestens die Hälfte der Beamte entlassen und die Wirtschaftsordnung umkrempeln.
Wie erklären Sie sich die plötzliche Preußenkonjunktur?
Das Preußenthema hatte 2001 trotz Preußenjahr nur etwa vier Wochen richtig Konjunktur. Dann setzte schon der Überdruss ein – worunter auch die Aufnahme meines Romans „Der Königsmacher“ gelitten hat. Diesmal werden es höchstens zwei Wochen. Die Presse braucht solche Reizthemen. Ich kann das nur mit freundlicher Ironie betrachten.
Die Historiker streiten darüber, wann Preußen eigentlich zu existieren aufgehört hat: als Reichskanzler von Papen 1932 die Regierung stürzte? Bei Hitlers Machtergreifung? Oder mit dem misslungenen Staatstreich preußischer Offiziere vom 20. Juli 1944?
Preußen hat 1871 aufgehört zu existieren. Für Sebastian Haffner beginnt der Verrat preußischer Ideale schon mit dem Nationalismus ab 1813.
War die DDR so etwas wie ein verlängertes Preußen?
Nein, man brauchte den Etikettenschwindel. Den wir hoffentlich nicht brauchen.
Was ist für Sie das Beste, das Preußen uns hinterlassen hat?
Die Königin Luise. Und den Rat, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.
Preußen, Restpreußen… Haben Sie einen eigenen Namensvorschlag?
Brandenburg hat drei Silben. Das klingt ganz gut.
Wie preußisch ist eigentlich Ihr – häufig abgekürzter – Vorname F. C.?
Mein Vater gab mir den Namen eines preußischen Konsuls in Bremen: Friedrich Christian Delius.
Das Interview führte Gregor Dotzauer
(Der Tagesspiegel, 22.2.2002).