Friedrich Christian Delius, FCD

Irene Ferchl

Irene Ferchl:

Stil und Stoff

Laudatio auf Friedrich Christian Delius
zur Verleihung des Schubart-Literaturpreises der Stadt Aalen 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Friedrich Christian Delius,

kaum ein biografischer Artikel und keine Laudatio auf F. C. Delius verzichten darauf, mit seinem Vornamen beziehungsweise den Initialen seines Vornamens zu spielen, es ist einfach zu verführerisch …
Wenn es jedoch einmal ganz und gar gerechtfertigt ist, dann heute, bei der Verleihung des Schubart-Preises, denn die Anfangsbuchstaben von dessen Vornamen – Sie wissen es ja alle, man ertappt sich allerdings inzwischen schon dabei, dass man etwas unsicher über die Reihenfolge von Christian und Friedrich geworden ist!

Dass sich die Jury im Dezember 2006 einstimmig dafür ausgesprochen hat, den diesjährigen Literaturpreis der Stadt Aalen, der nach Christian Friedrich Daniel Schubart benannt ist, dem Schriftsteller Friedrich Christian Delius zuzuerkennen, hat mit den gleichen Initialen natürlich nichts zu tun. Wohl aber mit einem Werk, das wir in Übereinstimmung mit den Statuten des Preises sehen: es ist von hoher literarischer Qualität und weist eine Nähe zum Denken Schubarts auf, zu dessen freiheitlichem und aufklärerischem Denken. Und wenn man Delius gerne als Chronisten bezeichnet, dessen Geschichten sich an der deutschen Geschichte orientieren, so schwingt wohl ein wenig der Gedanke an Schubarts Deutsche Chronik mit.
Ich möchte den Gedanken sich nach zweieinhalb Jahrhunderten in Aalen treffender Parallelen gewiss nicht überstrapazieren, aber mir erscheint eines noch vergleichbar: Wie man bei Schubart heute meist nur über das WAS spricht und nicht mehr über das WIE seines Schreibens, ist die Rezeption des Werks von Delius vielfach von den erzählten Inhalten und dem aufgeklebten Etikett der Gesellschaftskritik bestimmt, während von der Form weniger die Rede ist.
Nun sind seine Themen meistens auffallend, ja spektakulär (schon die Titel!), denken Sie an Unsere Siemens-Welt von 1972, an die inzwischen in einem Band Deutscher Herbst zusammengefassten drei Romane Ein Held der inneren Sicherheit, Mogadischu Fensterplatz und Himmelfahrt eines Staatsfeindes; (gerade wieder aktuell) denken Sie an die Erzählung über den Posaunisten, der während einer Tournee in einer Hotelbar in Tel Aviv einen Getränkebeleg mit „Adolf Hitler“ unterschreibt (Die Flatterzunge) oder an den (autobiografischen und bundesdeutschen) Doppelsieg Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde.
Selbst Bändchen wie Die Birnen von Ribbeck (1991) oder das 2005 erschienene Die Minute mit Paul McCartney werden gerne auf den Stoff verkürzt – dabei ist die Machart da mindestens ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger als der Plot. Oder genauer: erst die Art der Verarbeitung des benutzten Materials zeigt seine Stichhaltigkeit, die gewählte Methode muss überzeugen.

Delius hat dies am Beispiel seiner (1971 verfassten) „Moritat auf Helmut Hortens Angst und Ende“ vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe wie folgt begründet: „Bekanntlich wurden um 1970 viele politische Gedichte […] in ähnlicher Weise geschrieben und veröffentlicht. […] Im Gegensatz zu den meisten politischen Gedichten von damals wurde meine Morität in den letzten Jahren mehrmals nachgedruckt. Das ist wahrscheinlich nicht der Attraktivität des Namens Horten zu verdanken, sondern dürfte an gewissen künstlerischen Qualitäten liegen. Wäre die Moritat nämlich eine Schmähschrift oder all das Furchtbare, was sie nach Ansicht der Gegenseite sein soll, dann wäre sie mit Recht längst vergessen, dann hätten auch Helmut Hortens Informanten sie niemals im Großen Deutschen Balladenbuch des angesehenen Athenäum Verlags finden können. So gereicht es mir also im Jahr 1980 zum Nachteil, daß mein Gedicht den literarischen Moden der letzten zehn Jahre standgehalten hat. Oder anders gesagt: wegen seiner literarischen Qualität kann das Gedicht überhaupt verboten werden – und nun muß es verboten werden.“
Die darin liegende Dialektik – Hortens Klage vor Gericht wurde abgewiesen und Delius konnte sich in einem offenen Brief an Horten darüber lustig machen, dass dieser ihm zu Ruhm und Einnahmen verhelfe. Die Moritat wird nach wie vor gedruckt, auch in Delius’ selbst zusammengestellter Gedicht-Sammlung Selbstporträt mit Luftbrücke (1993), und die kommentierenden Texte stehen in dem 2003 erschienenen „Leitfaden für deutsches Denken“: Warum ich schon immer Recht hatte – und andere Irrtümer – die Dialektik dieses Falls also ist ein wunderbares Beispiel für das Vergnügen des Schriftstellers an der List – und für sein Vertrauen in die Literatur.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen einen Essay von F.C. Delius dringend zur Lektüre empfehlen. Eigentlich eine Vorlesung (abgedruckt 2005 in der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter) finden Sie den Text auf seiner Homepage zum Herunterladen: Deutschland, ein Schlaraffenland – oder warum Friedrich Schiller Joschka Fischer einen Barbaren nennen würde„. Es ist – verzeihen Sie die Verkürzung – ein Plädoyer, Schillers Ästhetik ernst zu nehmen, und nicht über den angeblichen Niedergang der Kultur, die Marginalisierung der Kunst zu jammern, sondern in die Dichtkunst zu vertrauen, sich nicht von „Quotenidioten, Wortabwürgern und Bildungsvernichtern“ gängeln zu lassen, sondern die Freude am Lesen zu leben. Immer und überall.

Das Vertrauen in und seine Leidenschaft für die Literatur begleiten Delius nach eigenem Bekunden seit der Kindheit: aufgewachsen „zwischen hessischen Wäldern und Fachwerkhäusern, Bücherregalen und Fußballplatz“ habe er „im Alter von zehn Jahren mit der Schreibmaschine des gefürchteten Vaters sich einen Weltplan“ getippt und als Beruf „Dichter“ angegeben. Der Student im Berlin der 1960er Jahre las dann lieber Jean Paul und Fontane als Marx und schrieb seine Doktorarbeit über – so der zeittypische Untertitel – „Ein Kunstmittel und sein ideologischer Gebrauch im Roman des bürgerlichen Realismus“. Der Haupttitel allerdings verlockt mit Recht zum Lesen: „Der Held und sein Wetter“. Es ist übrigens eine der wenigen (bis heute) mit Vergnügen und Gewinn lesbaren germanistischen Dissertationen.

Dass Delius trotz seines nicht selten aufscheinenden Faibles für die Romantik und die Romantiker heute als der literarische Chronist der deutschen Gegenwart und als einer der politischen Autoren der Nachkriegszeit gilt, ist wahrscheinlich nicht einmal ein Widerspruch.
Viele von Ihnen werden ihn – wie ich auch – in den 1970er Jahren mit seinen gesellschaftspolitischen Satiren respektive Dokumentarpolemiken Wir Unternehmer und Unsere Siemens-Welt, mindestens durch die Prozesse darum kennen gelernt, und dann das wachsende Werk mehr oder weniger aufmerksam weiter verfolgt haben.

Seit 1981, als mit Ein Held der inneren Sicherheit sein erster Roman und gleichzeitig bereits sein vierter Gedichtband (Die unsichtbaren Blitze) erschienen, kam fast in jedem, mindestens in jedem zweiten Jahr ein neues Buch auf den Markt: Romane, Erzählungen, Gedichte, Essays oder jede Gattung sprengendes wie ein „Hand- und Wörterbuch Frankfurter Allgemeinplätze mit dem viel versprechenden Titel“ Konservativ in 30 Tagen, eine satirische Entlarvung der FAZ, die nebenbei zur Selbstprüfung der Rezipienten auffordert oder das bereits erwähnte Bändchen Die Minute mit Paul McCartney, das sich „Memo-Arien“ nennt – klingt wie Memoiren, ist aber alles andere.
Auf 94 Seiten probiert Delius 66 Formen des Erzählens aus, von der Eilmeldung bis zur Gegendarstellung, juristisch und anglophil, als Bildbeschreibung oder Verneinung, vom Sonett über das Anagramm zu den japanischen Gedichtformen des Haiku oder Tanka.
Herrlich in ihrer Selbstironie ist die „Rezension“ – erlauben Sie mir, diese Seite zu zitieren:
„Wieder einmal scheitert Delius. Auch in seinem neuen Buch kann er sich nicht entscheiden zwischen Roman und Dokument, zwischen lyrischer Kurzform und epischer Breite, zwischen Realismus, Autobiografie und literarischem Spiel. Was für ein großer europäischer Roman über die Vorzeit von 1968 hätte hier entstehen können! Zumindest eine deutsche Variante auf J.M. Coetzees ‚Die jungen Jahre‘ oder Cortazars/Antonionis ‚Blow up‘. Swinging London und flower power, die deutschen und österreichischen Emigranten, was für eine Welt! Der ewige Konflikt zwischen Zivilisation und Natur am Beispiel Londoner Parks, die seltsame Vorliebe für das Fußballspiel in intellektuellen Kreisen, die psychischen Abgründe der Hundephobie – was für großartige Themen werden hier verschenkt! Schließlich das Drama der Popularität am Beispiel Paul McCartneys – selbst ein mittelbegabter Autor wie Delius, der anscheinend Zugang zu den Kreisen der „Beatles“ hatte, hätte aus diesem Sujet mit leichter Hand ein wunderbares Buch machen können, das wir gerne gelesen und gerne verrissen hätten. Stattdessen: die kleine Form, in kleinen Happen, kleingeistig durchgeführt. Stil statt Stoff. Wieder einmal ist zu bedauern: Dieser Autor kann nicht erzählen oder will nicht erzählen. Noch schlimmer: Er weigert sich beharrlich so zu schreiben, wie er nach unserer maßgeblichen Meinung schreiben sollte.“ (Seite 69)

„Die Möglichkeiten der List im Literarischen sind noch lange nicht erschöpft“, hat Delius irgendwo einmal formuliert, man könnte auch sagen: Er ist, wie der Igel im Märchen, immer schon da, wenn der Hase angehechelt kommt.
„Stil statt Stoff“ ruft der krittelnde Rezensent, aber Delius ist ihm längst zuvor gekommen und schafft – in Der Königsmacher – die Karikatur eines Erfolgs besessenen Schriftstellers, Albert Rusch, der im Preußenjahr mit einem historischen Roman endlich einmal groß rauskommen will. Die Leserinnen und Leser setzt er dabei Wechselbädern aus, lockt sie mit traurig-schönen Liebesgeschichten in den Text hinein und wirft sie immer wieder hinaus – analog der Interessenverlagerung von Rusch vom Thema auf seien eigene Selbstinszenierung.
Am Anfang dieser Satire auf den Literaturbetrieb stand aber, wenn ich Delius neulich bei seiner Stuttgarter Lesung richtig verstanden habe, die Figur der Berliner Tänzerin und Geliebten des späteren niederländischen Königs Willem, Maria Hoffmann. Und man erfährt bei der Romanlektüre nicht nur über die Lebenssituationen bei Hofe, sondern auch im „einfachen“ Volk en passant eine ganze Menge.
Noch deutlicher im Zentrum stehen zwei Frauen in den neuesten Büchern: die Mutter, von der abschließend ausführlicher zu reden sein wird, und Anneliese Groscurth, die Witwe des Widerstandskämpfers Georg Groscurth, deren Schicksal in der Nazizeit und vor allem danach in den Jahren des Kalten Krieges den Ich-Erzähler und mit ihm die Leser empört: Mein Jahr als Mörder verknüpft nachprüfbare historische Fakten und die Fiktion des Rache an dem Nazi-Richter Rehse planenden Studenten.

Immer wieder ist es die deutsche Geschichte, die Delius das Material liefert: „Wir leben in einem Schlaraffenland für Schriftsteller, für Publizisten und Historiker – und für Hysteriker“, heißt es unter dem Stichwort „Geschichte“ in seinem Leitfaden: „Bei uns ist immer was los. Bei uns wird keiner die Geschichte los. Wir gönnen uns keine Ruhe beim Streit um die Vergangenheit. Wir sind auf historische Dramen abonniert. Die Politik regiert in alle unsere Biographien hinein. Jeder Deutsche jeder Generation ist auf jeweils andere oder doch wieder ähnliche Weise von der Geschichte geprägt, berührt, erhoben oder geschlagen“.
Allerdings könnte man sich an dem süßen Brei im Schlaraffenland auch überfressen. Es kommt darauf an, was man daraus macht, und – ich wiederhole mich gerne – F.C. Delius macht daraus, aus dem historischen, zeitgeschichtlichen Stoff besondere, raffinierte Geschichten. Folgen Sie mir noch kurz nach Rostock und Ribbeck, in die beiden Erzählungen, die die Grenzen zwischen der BRD und der DDR und deren Überschreiten thematisieren.
Da ist einmal der „intellektuelle“ Kellner Paul Gompitz (es gab für ihn ein reales Vorbild), der zwar auf Hiddensee „am schönsten Flecken der Welt wohnt“, aber um beinahe jeden Preis einmal auf den Spuren Seumes nach Italien reisen möchte. Sieben Jahre lang, vom Sommer 1981 bis 1988, bereitet er diese Reise vor, die nie als Flucht aus der DDR geplant, sondern nur dem Stillen seiner Sehnsucht nach der Ferne geschuldet ist. „Ihm fehlt nichts, außer der übrigen Welt. Nichts, außer einem Ziel, Italien. Nichts, außer dem zweiten Ziel, von Italien wieder zurückzukehren nach Hiddensee und Rostock und Dresden und den Kumpels sagen zu können „Nu, Alter, da bin ich wieder, zurück aus Syrakus!“
Die fixe Idee dieses Gompitz wirkt derart komisch, seine Mühe, Geld aus dem Land zu schaffen, das Segeln zu lernen, die Grenzposten zu überlisten etc. wie Parodie, vor allem, weil die Reise selbst für den Helden und die Leser mehr oder weniger zur Enttäuschung wird – und der erträumte Spaziergang von Rostock nach Syrakus zu einer wenig genussvollen, eher reichlich hektischen Eisenbahnfahrt …

Enttäuschung, sogar Desillusionierung ist das Thema der Erzählung Die Birnen von Ribbeck, die Fontanes Gedicht des „Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ aufgreift und vielleicht durch dessen Rhythmus angeregt in einem einzigen endlosen Satz beschreibt. Ein unbenanntes Ich oder Wir spricht suggestiv, zieht hinein in diese hundertjährige Geschichte immerwährender Unterdrückung in Feudalherrschaft, Nazidiktatur, real existierendem Sozialismus und ?
Nennen wir es mal den kolonisierenden Einbruch der Wessis nach der Wende.

Das Stilmittel eines Endlossatzes verwendet Delius fünfzehn Jahre später noch einmal, in seinem jüngsten, letzten Herbst erschienenen Buch Bildnis der Mutter als junge Frau, das für die Schubart-Preis-Jury den aktuellen Anlass bildete, sich mit dem Schriftsteller Friedrich Christian Delius und seinem literarischen Gesamtwerk eingehend zu beschäftigen.

Er verwendet es so überzeugend, dass alle, LeserInnen wie Kritikerinnen angetan bis begeistert sind, das Buch wird gekauft, verschenkt, empfohlen (auf der Fahrt von Leipzig nach Stuttgart erreichte mich gestern abend eine SMS von einer Freundin aus Italien: „Delius Mutter grandissimo“), es wird einander vorgelesen und immer wieder neu aufgelegt – eine solche flächendeckende Einhelligkeit müsste einen beinahe misstrauisch machen. Kann es das denn überhaupt geben – ein für die unterschiedlichsten Ansprüche und Lesegewohnheiten und Interessen gleichermaßen geeignetes Werk? Offenbar doch.
Delius erzählt von einer jungen Frau, einer 21-jährigen, frisch verheirateten Deutschen, die im Winter 1943 mit dem Ehemann Gert nach Rom kommt, doch er, statt dort predigen zu dürfen, wird nach Afrika abkommandiert.
Sie ist hochschwanger, wohnt zwar behütet bei den Diakonissen, sorgt sich verständlicherweise um den geliebten Mann, fühlt sich fremd – zu norddeutsch, zu evangelisch – in der ewigen Stadt, dem katholischen, barocken Ambiente. Denn sie stammt aus Mecklenburg, ist im festen lutherischen Glauben aufgewachsen und mit Bach, natürlich auch im BDM sozialisiert. Diese junge Frau, von der man rasch weiß, dass sie nicht irgendeine, sondern die mit dem Autor schwangere Mutter von Delius selbst ist – geboren wurde er nämlich am 13. Februar 1943 in Rom – geht eines Samstagnachmittags von dem Diakonissenheim in der Via Alessandro Farnese zur Christuskirche in der Via Sicilia, um ein Konzert zu hören. Sie geht zu Fuß, der italienische Arzt hat es ihr empfohlen, geht und denkt dabei nach, und aus dem Bewusstseinsstrom dieser einen Stunde Wegs zwischen den „zwei Inseln der Zuversicht“ besteht das ganze Buch.
„Laufen Sie, junge Frau, laufen Sie, wenn Sie wollen laufen, der Kind sich freut, wenn Sie laufen“, lautet der erste Satz, die Aufforderung von Dr. Roberto, und dieser Rhythmus des Laufens, die Atemlosigkeit wegen der Schwangerschaft und wohl auch der Aufregung, ganz allein zu sein, die Vorfreude auf das Konzert und darüber einen langen Brief an Gert schreiben zu können – das alles zieht einen in Bann. Man kann nicht aufhören, muss das Buch bis zum Ende lesen, in einem Zug.
Delius gelingt aber nicht nur, diese Spannung zu erzeugen, er zeichnet das überzeugende Bildnis einer unsicheren jungen Frau, eher ängstlich als neugierig, unselbständig, naiv, nach unserem Verständnis sogar ungebildet und ohne ein politisches, gar kritisches Bewusstsein, aber er tut dies verständnis- und liebevoll. Man bekommt schließlich einen Eindruck, als ob sich die Wahrnehmungen der Mutter und des Sohnes überlagern, sich das Bild von seinem und ihrem Rom addiert und – ganz wichtig – man mit ihr in diese Zeit, den Winter 1943, eintaucht.
Dies, denke ich, ist seine Stärke und die ganz große Kunst von F. C. Delius: die Protagonisten in ihre Zeit zu setzen, in ihr historisches Umfeld und inmitten die bestimmende sozialen, kulturellen Bedingungen – und dann mit ihren Augen die Zeit zu betrachten.
„Ich leih dir meinen Kopf für diesen Nachmittag“ heißt es in einem Gedicht von 1975 – das ist bis heute ein passendes Bild für sein Verfahren, das ja genau genommen die Methode der Literatur generell charakterisiert …

Meine Damen und Herren, dies ist Aufforderung an Sie, die Bücher von Delius wieder oder erstmals zu lesen.
Lieber Friedrich Christian Delius, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zum Schubart-Preis und Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

© Irene Ferchl, 25. März 2007

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