Friedrich Christian Delius, FCD

Buch: Der Königsmacher

Der Königsmacher
Roman

320 S., Tb
€ 8,90 / sFr 16,50
ISBN 978-3-499-23350-0

320 S., HC
€ 22,90 / sFr 40,10
ISBN 978-3-87134-438-1

Rowohlt E-Book
€ 8,99
ISBN 978-3-644-11271-1

rororo taschenbuch Werkausgabe
336 Seiten, € 9,99
ISBN 978-3-499-26915-8

 

Theaterversion:
Niedersächsisches Staatstheater Oldenburg, 2003


Albert Rusch, ein Schriftsteller mit wenig Erfolg, will endlich einen Bestseller schreiben und stößt auf der Suche nach einem passenden Stoff auf eine alte Familiengeschichte: Seine Urururgroßmutter war das uneheliche Kind einer Berliner Tänzerin und des Prinzen von Oranien, der später als Willem I. den holländischen Thron bestieg. Die heimliche Königstochter wuchs in einer mecklenburgischen Adelsfamilie auf, wurde zur Hochzeit mit dem falschen Mann gezwungen, erhielt ein Vermögen und starb nach einer freudlosen Ehe mit 23 Jahren, ohne je erfahren zu haben, wer ihre Eltern gewesen sind.

Adel und Bohème, Macht, Liebe, Geld, Intrigen, Leidenschaft, Tod – ideale Voraussetzungen für einen auflagenträchtigen Frauenroman. Doch wie läßt sich eine romantisch-traurige Geschichte aus dem 19. Jahrhundert heute erzählen? Als konventionelle historische Schmonzette, wie es ihm sein Verlag nahelegt, oder als anspruchsvolle Literatur? Ist ein Roman überhaupt erfolgversprechend, oder sollte es ein Drehbuch sein? Für diese Fragen findet Rusch keine Lösung, statt dessen identifiziert er sich im Zuge der Recherchen mehr und mehr mit seiner Rolle als Nachfahre der Oranier und der Preußenkönige. Damit ist er überraschend erfolgreich: Als Leitfigur eines neuentdeckten Preußen-Mythos avanciert er zum Medienstar und Erfinder des „Preußen-Jahres“. Auf der Höhe seines Ruhms verschwimmen die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Realität und Fiktion – und Albert verliert sich in einer wahnhaften Liebe zur Königin Luise.

„Der Königsmacher“ beginnt mit der Schlacht von Jena und Auerstedt im Jahre 1806 und endet mit den Talkshows des Jahres 2000. Delius‘neuer Roman ist ein Spiel mit Geschichte und dem Erzählen von Geschichten, eine Komödie über die Nöte der Anpassung und die Verlockungen des Erfolges.

Rezensionen

Weitere Pressestimmen

„F.C. Delius ist mit Königsmacher ein großer Wurf gelungen. Im Gewand eines rührseligen historischen Romans nimmt er das Geschäft von Leuten aufs Korn, denen Grundsätze, Überzeugungen und intellektuelle Redlichkeit abhanden gekommen sind.“ (Berliner Morgenpost)

“Ein Muss für die Liebhaber historischer Romane ebenso wie für deren Hasser“ (Brigitte)

“Bastel dir einen Bestseller!“ (Literarische Welt)

Monarchen-Marketing

Friedrich Christian Delius nimmt die Macher unserer Medienwelt aufs Korn
Spät, nach einer von vielen Live-Sendungen im Fernsehen, geschieht dem berühmten Autor das Unwahrscheinliche: Ihm ist, als liege er leibhaftig mit „Marie“ im Bett eines Hamburger Hotels. Mit der schönen, liebeskundigen Tänzerin aus dem Roman, an dem er gerade arbeitet. Und auch er fühlte sich ihrem hoch gestellten Geliebten, dem Oranier-Prinzen, noch nie so nah wie in dieser Nacht. Das heiter-schlüpfrige Rollenspiel signalisiert das fortgeschrittene Stadium einer akut schizophrenen Psychose, Vorbote von jähem Absturz.
Noch aber ist Albert Rusch, zumindest nach außen, auf der Höhe seines Ruhms. Mit dem 41-jährigen begegnen wir dem Ich-Erzähler in Friedrich Christian Delius‘ neuem Roman „Der Königsmacher“. Ein Genie der Selbstvermarktung, in allen Medien präsent, gilt er doch als Erfinder des Preußenjahres 2001, als unermüdlicher Trommler in Sachen preußischer Tugenden. („Was wir brauchen, ist: Monarchen-Marketing.“) Vor allem aber ist er begehrt und bewundert als Spross einer bis auf den Soldatenkönig zurückgehenden Linie. Eine geschickte Manipulation der nach höfischem Klatsch gierenden Öffentlichkeit, durch Selbsthypnose für ihn selbst in den Rang einer Gewissheit erhoben.
Dabei ist der Mann, nach Anfangserfolgen, ein Versager. Sein letztes Buch, eine Ost-West-Geschichte, verkaufte sich schlecht, nur 1439 Mal. Die Lesereisen bleiben aus, der Verlag wird skeptisch und knauserig, die Existenz ist bedroht. Ein Bestseller muss her, ein Roman nach dem Geschmack des Massenpublikums, am Reißbrett entworfen, mit Liebe, Tod und Leidenschaft. Vielleicht ein Märchen oder ein Mädchenroman, eine Art „Vom Winde verweht“ in Mecklenburg.
Da spielt das Schicksal dem verzweifelten Literaten die um 1806 und Folgejahre angesiedelte Geschichte des Erbprinzen von Oranien in die Hände, später niederländischer König Willem I., und der Tänzerin Marie, einer Bäckerstochter in Berlin. Die Liaison beschert beiden eine Tochter, Wilhelmine, liebevoll Minna genannt. Wie sie bei wechselnden Pflegeeltern aufwächst, bis zur Heirat im zarten Alter von 17, bestimmt den Fortgang des Handlungsstranges. Die Unglückliche stirbt jung, ohne je ein Wort über ihre Herkunft erfahren zu haben… Der Verlag beißt nach ersten Arbeitsproben begeistert an, erhöht den Vorschuss, aber Rusch verliert in dem Maße die Lust am Schreiben, in dem er die preußische Geschichte und damit das Terrain für die eigene Selbsterhöhung erkundet. Immerhin „entdeckt“ er in Minna seine Ur-Ur-Großmutter.
Delius verschränkt also gleich mehrere Geschichten. Jede für sich wäre trivial: Das Leid einer unehelichen Königstochter, die Entzauberung unserer Medienwelt, die Selbstinszenierung eines mittelmäßigen Schriftstellers. Wie Delius das kompositorisch und stilistisch bewältigt, weist ihn einmal mehr als einen der wichtigsten deutschen Gegenwartsautoren aus. Die Szenen um Minnas Kindheit und Jugend, wie im Drama verknappt auf kurze Dialoge, wollen „Rohfassung“ sein, ohne ausschmückende Beschreibungen von Landschaften und Interieurs – eine Aufgabe für später. Wenn gelegentlich Kostproben dafür geboten werden, geschieht es augenzwinkernd: „Es muss immer wieder gesagt werden, was Herbst ist: Die niedrig stehende Sonne spendete eine milde Wärme…“ Das schafft unterschiedliches Tempo, hat Witz und ist gut zu lesen.
Die Passagen indessen, die von Aufstieg und Fall eines Autors handeln, der moderne Marketing-Strategien zu nutzen lernt und dabei immer mehr in den Wahn abdriftet, sind in beinahe kühler, sehr präzise, von knappen Sätzen bestimmte Prosa gefasst. Zum Ende hin, als Ruschs Liebe zur „Mädchenkönigin Luise“ zur orgiastischen Verzückung entflammt, legt der Text die Strenge ab und gewinnt beinahe rauschhafte Züge. Freilich meint man im Unterton immer zu hören, wie Delius seinen Helden spöttisch beobachtet, ohne ihn lächerlich zu machen. Die Sache ist jedoch vertrackt, denn in einer dem Roman vorangestellten Bemerkung will der Autor nur als Herausgeber angesehen werden. Verfasser „von der ersten bis zur letzten Seite“, halb Beichte oder Tagebuch, halb Skizzenblock, sei eben Albert Rusch, der sich damit selbst kommentiert. Auch das ein Kniff, der das Lesevergnügen steigert.
F.C. Delius, dem 1943 in Rom geborenen, heute in Berlin lebenden Autor, ist mit „Königsmacher“ ein großer Wurf gelungen. Im Gewand eines rührseligen historischen Romans nimmt er das Geschäft von Leuten aufs Korn, denen Grundsätze, Überzeugungen und intellektuelle Redlichkeit abhanden gekommen sind. Da erscheint Geschichte als „Schatztruhe“, die beliebig für jede These geplündert werden kann, während sich Fernsehen, Funk und Presse um der Quote willen zu willfährigen Transporteuren Skandal umwitterter Botschaften machen. Heute das, morgen das, aber immer „Pop“. Und mittendrin ein Autor, den die Jagd nach Erfolg erst um die eigene Integrität, dann um den Verstand bringt. Dass Delius jeden eifernden Ton meidet, stattdessen höchst unterhaltsam bleibt, wird ihm mehr als 1439 verkaufte Exemplare einbringen. Wetten?

(Lutz Hoyer, Berliner Morgenpost, 30.9.2001)

Preußens Gloria in den Fängen der Bewusstseinsindustrie

Das Leben der Minna von Dietz, medial vermarktet – Friedrich Christian Delius‘ Roman „Der Königsmacher“
Ein Autor sucht einen Autor, um unter dessen Namen seine bizarre, von ihm selbst erlebte Geschichte zu erzählen, und Friedrich Christian Delius, dem das literarische Jonglieren zwischen fiktionalen und dokumentarischen Elementen seit je liegt, hat sich auf das Spiel eingelassen, wie der dem Roman vorangestellten Anmerkung zu entnehmen ist. Ein Freundesdienst se es gewesen, kommentiert er lakonisch und fügt augenzwinkernd hinzu, mehr als die Tätigkeit mit Albert Rusch, dem Königsmacher, nicht gemein zu haben.
Albert Rusch, ein wenig erfolgreicher Autor um die vierzig, will endlich den großen Coup landen. Nicht der spritzige Wenderoman, nicht die sentimentale Nabelschau auf heutige Befindlichkeiten, mit der die Endzwanziger vorwiegend weiblichen Geschlechts derzeit große Erfolge einheimsen, wie er pikiert feststellt, ist sein Sujet. Er greift lieber in die Mottenkiste der preußischen Geschichte. Thema des Romans, der hier allmählich entstehen soll, ist das kurze, glücklose Leben der Wilhelmine oder Minna von Dietz, Sprössling einer unstandesgemäßen Liaison zwischen Wilhelm von Oranien, dem ersten holländischen König, und einer Berliner Tänzerin. Minna, um die in den adligen Kreisen jener Jahre regelrecht gefeilscht wurde, war nur ein kurzes, materiell gesichertes, doch freudloses, in keiner Weise selbstbestimmtes Leben beschieden. Mit siebzehn wurde sie an einen Cousin verheiratet. Sie starb im Alter von dreiundzwanzig, ohne je ihre wahre Herkunft erfahren zu haben.
Das Leben der Minna von Dietz – wäre das nicht der ideale Stoff für einen auflagenstarken Bestseller, ohne opulenten Historienschinken vor dem Hintergrund der Befreiungskriege gegen Napoleon, oder für ein Fernsehspiel zur Primetime, sinniert Albert Rusch und gerät, während er noch auf der Suche nach der geeigneten Präsentation seiner beklagenswerten Heldin mit allen möglichen literarischen Genres herumexperimentiert, in den Strudel der multimedialen Unterhaltungsindustrie.
Und da sein Argwohn gegenüber den Erfolgen einiger seiner Kollegen groß und sein Ehrgeiz ungemein angestachelt ist, lässt er sich auf die rasch zunehmende Zahl von Einladungen zu Interviews und Talkshows genussvoll ein. Vom wachsenden Medienrummel geschmeichelt und beeindruckt von seiner Eloquenz und Überzeugungskraft, erfasst ihn eine solche Preußenseligkeit, dass er seine Fantasie nicht mehr im Zaume zu halten vermag. Er imaginiert sich als später Nachfahren des preußischen Königsgeschlechts, wird zum Verteidiger preußischer Tugenden und feurigen Apologeten von Preußens Glanz und Gloria. Zu guter Letzt verfällt der in abgöttischer Liebe zur Königin Luise Entbrannte gar der Illusion, wiedergeliebt zu werden. Ihm verdanken wir schließlich, wie Delius bei Lesungen augenzwinkernd zu verstehen gibt, die Erfindung des Preußenjahres.
Sein trauriges Ende sei nicht verraten. Nur so viel: der avisierte Roman kommt nicht zustande, und das Leben Albert Ruschs nimmt, wie es in einer veritablen Posse nicht anders zu erwarten ist, einen völlig unerwarteten Verlauf. Wie häufig in der schrillen, aggressiven, quotenorientierten Medienlandschaft folgt auch hier dem schnellen Aufstieg ein schneller Fall.
Der Jux, den sich der Autor daraus macht, der unter massenmedialen Vermarktungsstrategien ächzenden Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und am medialen Lack der Spaßgesellschaft und der literarischen Eventkultur zu kratzen, überträgt sich spielend auf den Leser. Sein Faible für bizarre, in sich gebrochene Helden hatte Delius schon in seinem letzten Roman, „Die Flatterzunge“ bewiesen. Die ironisch unterlegte, emphatische Darstellung des unseligen Berliner Musikers, der in einem israelischen Hotel eine Rechnung mit Adolf Hitler unterschreibt, löste auch Irritationen aus. Auch Albert Rusch, der sich in seiner fieberhaften Preußenmanie selbst ins mediale Aus katapultiert, ist gänzlich ungeeignet, als Sympathieträger und positive Identifikationsfigur herzuhalten. Und doch gelingt es Delius auf nonchalante, unaufgeregt humoristische Art, lächelnd für seinen Helden einzunehmen.
Ein Beweis, dass Albert Rusch bei seiner Suche nach einem Autor auf den richtigen getroffen ist. Denn die amüsante Roman-Parodie, die nicht nur eine Satire auf den Literatur- und Medienbetrieb, sondern auch auf das massenmedial aufgeblähte Preußenjahr ist, wird das Letztgenannte mit Grandezza überleben.

(Cornelia Staudacher, Stuttgarter Zeitung, 1.2.2002)

Eine treffliche Satire

Friedrich Christian Delius war bisher nicht gerade das, was man einen Autor der leichten Unterhaltungskunst nennt Aber mit seinem neuesten Werk „Der Königsmacher“ hat er sich diesem Genre genähert, ohne die eigene eher schwergewichtige Schriftsteller-Biographie zu verraten. Er benutzt einen Trick, der wie geschmiert funktioniert, er fungiert unter dem Namen F.C.D. als Herausgeber eines Buches über Albert Rusch, der selbst vorgibt, einen historischen Roman über seine Vorfahren zu schreiben – und darin verwoben zugleich die Geschichte der Entdeckung, dass sie es überhaupt sind, erzählt. Kurz: Rusch ist ein, wenn auch illegitimer, Nachfahre der Oranier- und Preußenkönige, denn seine Urahnin war Mätresse jenes Willem von Oranien, der nach der Vertreibung Napoleons in den Niederlanden regierte – und beide hatten eine gemeinsame Tochter, ein Kind der Liebe und der Sünde, das hernach ebenso leid- wie glanzvoll erst von der leiblichen berlinischen Mutter fort und hernach in ansehnlichen Adelsstand hoch befördert wurde. Gräfinnentitel und -erbe verschafften diskret die Beamten des niederländischen Regenten. Ein Groschenromansujet von annodazumal also, aber andererseits lakonisch im Stil und mit vielen Dialogen wie ein Drehbuch präsentiert. Dem Historischen immer verquickt ist eine treffliche und amüsante Satire auf den gegenwärtigen Literaturbetrieb samt angeschlossenem Medien-Zirkus: Rusch, der ehemals hoch gehandelte, dann mehr und mehr erfolglose Schriftsteller, wird als selbstentdeckter Adelsspross zum indirekten Erfinder des Preußenjahres 2001 und als Experte für Königliches gern gesehener Talk-Show-Gast, der schließlich dennoch im Museum endet. Wie und warum – das wird nicht verraten. Lesen Sie selbst: „Der Königsmacher“.

(Michael Merschmeier, Theater heute, 12 / 2001)